LehrerInnenprofessionalisierung durch angeleitete Reflexion der berufsorientierenden Praxisphase 2

PROJEKTVERANTWORTLICHE

  • Leona Sprotte-Huber (Heidelberg School of Education, Projektmitarbeiterin für Praktikumsbegleitung bis 09/2018)

BEGLEITFORSCHUNG ZUR BERUFSORIENTIERENDEN PRAXISPHASE 2 (BOP 2)

1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN DES BEGLEITFORSCHUNGSPROJEKTS

Innerhalb der Lehramtsausbildung wird die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden als lebenslange Entwicklungsaufgabe fokussiert. Im Zuge der PISA-Untersuchungen haben sich die Anforderungsprofile der LehrerInnen nachhaltig durch die an sie gestellten Aufgaben, wie der Umgang mit externen Evaluationsergebnissen, Heterogenität und individuelle Förderung verändert. Innerhalb des Forschungsdiskurses um Professionalisierung von LehrerInnen haben sich zwei Strategien herausgebildet, die häufig im Zusammenhang von Schulentwicklungsprozessen angewendet werden. Diese sind das kooperative Lernen (Terhart, Klieme 2006), und der Ansatz des reflective practitioner. So zeigen sich durch kollegiale Kooperation positive Einflüsse auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung als auch leistungssteigernde Effekte bei den LehrerInnen und SchülerInnen (Timperley; Earl 2011). Neben der Kooperation ist die Reflexion für die Professionalisierung unabdingbar, da erst durch die bewusste Reflexion der Handlungen implizite Wissensbestände, Emotionen und Werte bewusstgemacht werden und so diskutiert und möglicherweise angepasst und in Zukunft besser kontrolliert werden können (Thessin, Starr 2011). An der Universität Heidelberg wurden daher schulische und außerschulische bildungswissenschaftliche Praxisphasen implementiert, die Kooperation und Reflektion als Strategien der Professionalisierung fördern. Die Konzeption des nachbereitenden Seminars zur zweiten berufsorientierenden Praxisphase (BOP2), die sowohl in der Schule als auch in einer anderen Bildungseinrichtung absolviert werden kann, beruht auf evidenzbasierter Forschung, die Kooperation unter Studierenden und Reflexion als zentrale Strategien zur Professionalisierung innerhalb der Lehrerbildung ansieht (Thessin/ Starr, 2011), um berufsrelevante Kompetenzen zu erlangen.

Aufgrund des engen Zeitraumes für die berufsorientierenden Praktikumsphasen und die zugehörigen Begleitveranstaltungen ist ein Aufbau von Handlungskompetenz bestehend aus Wissen und Können in den drei Wissensbereichen Fachwissenschaft, Didaktik und Bildungswissenschaft begrenzt. Im begleiteten Praktikum kann allerdings durch strukturierte Reflexion und kooperatives Lernen die Professionalisierung in diesen drei Bereichen angebahnt werden, wodurch die Studierenden Fähigkeiten erwerben, die sie zur Integration von Theorie und Praxis in diesen Bereichen benötigen. Auf dieser Grundlage können Studierende daraufhin im weiteren Studienverlauf eigenständig Handlungskompetenz für ihren beruflichen Werdegang entwickeln.

Für die Reflexion der Praktika erhalten die Studierenden strukturierende Leitfragen, die sich auch an den Schwerpunkten orientieren, die für die Auswahl der Artefakte für das Portfolio zugrunde gelegt werden: Interessen, Fähigkeiten und Werte, Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern, wie sie in der Forschung oder im Rahmen von Standards definiert werden und wissenschaftliche Theorie. Die Stichprobe umfasst 70 Studierende des polyvalenten Bachelors mit Lehramtsoption. Die Reflexionsberichte der Studierenden wird mittels einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Ziel des Forschungsvorhabens ist es zu untersuchen, ob und inwieweit das berufsorientierende Praktikum 2 (BOP2) und dessen Begleitung sich auf die Professionalisierung von LehrerInnen auswirken.  

Vor allem wird dabei der Kompetenzerwerb, die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die Tiefe der Reflexionsfähigkeit, die Motivation und das Berufs- und Rollenverständnis von Studierenden des polyvalenten Bachelors mit Lehramtsoption genauer analysiert, um deren Bedeutung für die Professionalisierung von LehrerInnen bewerten zu können.

2. KONZEPTION DES BOP2

Die Berufsorientierende Praxisphase 2 (BOP 2) ist ein Spezifikum der Universität Heidelberg und kann an der gleichen Schulart wie das Orientierungspraktikum (BOP 1), einer anderen Schulart oder einer anderen Bildungseinrichtung absolviert werden. Die Berufsorientierende Praktikumsphase (BOP2) wird von den Studierenden selbstständig organisiert und ein passender Praktikumsplatz ausgewählt. Eine wichtige Aufgabe dieser Praxisphase ist es, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihr Erfahrungsspektrum nach dem ersten Orientierungspraktikum an einer Schule zu erweitern, um eine weitere berufliche Erfahrung in einem Bildungsberuf zu machen. Des Weiteren lernen sie theoretische Kenntnisse mit praktischen Erfahrungen zu verknüpfen und reflektieren ihre Berufsmotivation und -möglichkeiten u. a. im Portfolio kritisch.

Beim Seminar handelt es sich um einen Pflichtbestandteil innerhalb der Lehramtsoption, weshalb mit ungefähr 200 Studierenden pro Semester zu rechnen ist. Einzelne Workshops werden über die Dauer des Semesters verteilt, in größerer Zahl jedoch am jeweiligen Semesterende angeboten.
In dem Seminar werden verschiedene pädagogische Berufsfelder betrachtet und die Studierenden präsentieren sich gegenseitig ihre Praktika auf Postern in Kleingruppen. Sie geben sich dazu gegenseitig formatives Feedback. Zudem wird die Relevanz des BOP2 für die Studierenden in Bezug auf die Berufswahl und den Kompetenzerwerb diskutiert. Im Anschluss erfolgt eine Evaluation der Lehrveranstaltung durch für die BOP-Workshops spezifisch adaptierte Lehrevaluationsbögen.

3. FORSCHUNGSDESIGN

Die Datenbasis des hier beschriebenen Begleitforschungsprojekts ergibt sich aus den Reflexionsberichten der Studierenden. Diese sollen mittels qualitativer Inhaltsanalyse untersucht werden. Ziel des Forschungsvorhabens ist es zu untersuchen, wie sich kurze Praxisphasen im polyvalenten Bachelor mit Lehramtsoption auf das Rollenverständnis, den Kompetenzerwerb und die Theorie-Praxisverknüpfung bei Studierenden auswirkt. Zudem soll untersucht werden mit welchen Erwartungen und Zielen die Studierenden in das Praktikum gegangen sind und welche Stärken und Schwächen sie für sich identifizieren konnten.

Die qualitative Inhaltsanalyse besteht aus zwei Schritten: Zunächst werden Kategorien, die entweder am Material induktiv herausgearbeitet werden oder zuvor deduktiv festgestellt werden können, gebildet. In diesem Fall wurden die Leitfragen aus der Theorie erarbeitet und aus diesen weiterhin der Kategorienkatalog abgeleitet. Die Kategorienbildung wird daraufhin von weiteren KodiererInnen überprüft, um die Interraterreliabilität zu gewährleisten. Die neu erarbeiteten Kategorien werden danach mit der Kodiergruppe diskutiert und anschließend werden die Kategorien angepasst und gegebenenfalls spezifiziert. Daraufhin werden diese den Textpassagen zugeordnet. Dieses Vorgehen ist an Regeln gebunden und ermöglicht systematisches Arbeiten. Anhand des herausgearbeiteten Kategoriensystems und den dazugehörigen Häufigkeiten werden Schlussfolgerungen und der Rückbezug auf die Fragestellung ermöglicht. (vgl. Mayring, Frenzl 2014).

LITERATUR

  • Benke, G. (2010). Reflexion und Vernetzung als Gestaltungselemente der Lehrerfortbildung. Das Projekt IMST. Inf. H. Müller, A. Eichenberger, M. Lüders & J. Mayr (Hrsg.), Lehrerinnen und Lehrerlernen. Konzepte und Befunde zur Lehrerfortbildung (S. 145-159). Münster: Waxmann Verlag.
  • Berkemeyer, Nils; Järvinen, Hanna; Otto, Johanna; Bos, Wilfried. (2011). Kooperation    und   Reflexion    als    Strategien    der    Professionalisierung    in schulischen Netzwerken. Helsper, Werner [Hrsg.]; Tippelt, Rudolf [Hrsg.]: Pädagogische Professionalität. Weinheim u.a.: Beltz, S. 225-247.
  • Glaser, B.; Strauss, A. (1979):  Die Entdeckung gegenstandsbezogener Theorie.  Eine Grundstrategie qualitativer Sozialforschung. In: Hopf, C.; Weingarten, E. (Hrsg.): Qualitative Sozialforschung. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag, S. 91-111.
  • Hoffmann-Riem, C. (1980): Die Sozialforschung einer interpretativen Soziologie. Der Datengewinnung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Jg. 32, Heft 2, S. 339-372.
  • Lamnek, S. (2005): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. Weinheim/ Basel: Beltz, Psychologische Verlagsunion.
  • Mayring, Ph. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse. In: Flick, U.; Kardorff, E. v.; Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 468-475.
  • Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.
  • Mayring, Ph.; Brunner, E. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Friebertshäuser, B.; Prengel, A. (Hrsg.). Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft, Weinheim/ München: Juventa, S. 323-335.
  • Mayring, Philipp/Fenzl, Thomas (2014): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Baur, Nina/Blasius, Jörg (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS, S.543-556.
  • Schmidt, C. (2003): „Am Material“: Auswertungstechniken für Leitfadeninterviews. In: Friebertshäuser, B.; Prengel, A. (Hrsg.): Handbuch qualitative Forschungsmethode in der Erziehungswissenschaft. Weinheim: Juventa, S. 544-568.
  • Thessin, R.A./ Starr, J.P. (2011). Supporting the Growth of Effective Professional learning Communities Districtwide. Phi Delta Kappan, 92 (6), S. 48-54.
  • Witzel, A. (2000): Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research Jg. 1, Heft 1. URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228, Abgerufen am 27.12.2016.
  • Zeichner, K. M./ Liston, D. P. (1985). Varieties of discourse in supervisory conferences. Teaching and Teacher Education, 1 (2), S. 155-174.