Bibeldidaktik in der Spannung von Konstruktion und Pneuma

PROJEKTVERANTWORTLICHER

  • Dr. Stephan Ahrnke (Heidelberg School of Education, PostDoc bis 12/2018)

HINTERGRUND

Subjektorientierung ist seit Jahrzehnten jene Blaupause, vor der religionspädagogische wie religionsdidaktische Ansätze entwickelt werden. Den Religionsunterricht vom lernenden Subjekt her zu verstehen und letztlich zu gestalten, ist dabei das Ziel. Auch bibeldidaktische Ansätze haben sich in den vergangenen Jahren diesem Diktum weitgehend unterworfen und versucht, das Lernen an biblischen Texten vom lernenden Subjekt her zu beschreiben.
Dass dies besonders im Hinblick auf die Rolle der Bibel im Religionsunterricht zwar kein einfaches Unterfangen ist, jedoch ein absolut notwendiges, liegt auf der Hand: als Kulturgut der Gesellschaft und als Grundlage des Christentums gehören biblische Texte grundlegend zum Religionsunterricht dazu, allerdings sind sie den Schüler*innen heute meist fremd. Sie scheinen weit weg zu sein von der Lebenswelt junger (und auch älterer) Menschen. Lernprozesse mit biblischen Texten, die das lernende Subjekt im Blick haben, müssen es daher zum Ziel haben, den lernenden Menschen heute einen Zugang zu den biblischen Texten zu ermöglichen.

METHODISCHER ZUGANG / VORGEHENSWEISE

Der Schlüssel für die Ermöglichung eines solchen Zugangs liegt in der Subjektorientierung. Damit ist nicht allein die entwicklungspsychologische Analyse und die empirische Bestimmung dessen, was die Bibel für junge Menschen heute bedeutet, gemeint. Vielmehr gehört dazu eine grundlegende lerntheoretische Verortung eines Lernprozesses an biblischen Texten.
In meinem Forschungsprojekt wird daher aus subjektorientierter Perspektive zunächst ein Forschungsüberblick über empirische Studien zu Schüler*innen und deren Verhältnis zur Religion, besonders der christlichen, und zur Bibel vorgenommen, um das lernende Subjekt in seiner Lebenswelt besser fassen zu können. Als weitere Grundlage werden Fragen der Schriftlehre diskutiert. Dabei geht es um die Problemstellung, welche Rolle dem biblischen Text in einem Lernprozess zukommen kann, in welchem Verhältnis er zum lernenden Subjekt zu sehen ist. Im Zentrum des Vorhabens steht die lerntheoretische Bestimmung des Lernbegriffs im Lernprozess an der Bibel. Diese ist vor allem aus subjektorientierter Sicht notwendig, weil das Subjekt so in seinem individuellen Lernprozess wahrgenommen werden kann. Die zentrale These ist, dass diese Bestimmung subjektorientiert am besten in einem Spannungsverhältnis von Konstruktion und Pneuma geschieht. Die konstruktivistische Lerntheorie beleuchtet dabei das Lernen des Subjekts als unabhängiges individuelles Handeln, während die theologische Einordnung dieses Lernen in einen kommunikativen Kontext setzt. Die an biblischen Texten lernenden Schüler*innen können so in ihrem Lernen wahrgenommen werden, und es kann ihnen auf dieser Grundlage durch die Entwicklung didaktischer Konsequenzen ein neuer und tragfähiger Zugang zu biblischen Texten ermöglicht werden.

ZIELE

Neben der innovativen lerntheoretisch-theologischen Bestimmung des Lernens an biblischen Texten und der Präzisierung des Begriffs der Subjektorientierung für den Kontext des Lernens an biblischen Texten im Religionsunterricht liegt das Ziel darin, durch diese Bestimmungen die Entwicklung von didaktischen Konsequenzen für den Religionsunterricht zu ermöglichen und damit einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Religionsunterrichts zu leisten. Gerade ein fundierteres Verständnis dessen, was ein solcher Lernprozess ist und wie er funktioniert, erlaubt präzisere didaktische Entscheidungen in Lernprozessen mit biblischen Texten z. B. im schulischen Rahmen, aber auch darüber hinaus.