Summer School 2018: Bericht zum Workshop des heiEDUCATION Clusters Text und Sprache

VERSTEHEN, MITVERSTEHEN, KONSTRUIEREN – ZUR MOBILISIERUNG VON WISSEN BEIM LESEN

Im Rahmen der Summer School 2018 hat sich der Cluster Text und Sprache  in einem Workshop zum Thema Verstehen, Mitverstehen, Konstruieren – Zur Mobilisierung von Wissen beim Lesen mit der zentralen Frage auseinandergesetzt, wie Textverstehen vor sich geht.

Grundlage hierfür war die kognitionslinguistische Textverstehenstheorie, die davon ausgeht, dass der Mensch in seinem Gedächtnis Wissens- und Erfahrungsbestände speichert, die bei der Rezeption eines Textes aktiviert werden. Wissen bildet damit eine Grundvoraussetzung für Textverstehen. Im Gedächtnis wird Wissen in komplexen abstrakten Wissensrahmen organisiert. Diese Wissensrahmen weisen Leerstellen auf, die situationsabhängig mit Füllwerten besetzt werden. Diese Füllwerte sind veränderbar, so dass sie durch andere Füllwerte ergänzt, ersetzt oder verdrängt werden können. Auf diese Weise wird die ständig notwendige Anpassungsfähigkeit von Wissensrahmen gewährleistet.

Auch Textstrukturen bilden Wissensrahmen. Diese narrativen Wissensrahmen bestehen aus Schemata, die Organisationseinheiten von Geschichten mental makrostrukturieren. Beim Textverstehen werden diese narrativen Wissensrahmen aktiviert. Anhand eines kleinen Experiments mit den Workshopteilnehmer/innen wurden die bei der Rezeption eines Textes initiierten Textverstehensprozesse unmittelbar anschaulich und erfahrbar. Aufgabe war es, in einen Text an vier vorgegebenen Stellen jeweils einen Satz einzufügen. Bei dem Text handelte es sich um eine Rezension zu einem Kinderfilm. Es zeigte sich, dass die Textsorte Rezension gewisse Erwartungen evozierte, die dazu führten, dass die Teilnehmer des Experiments die eingefügten Sätze automatisch dieser Textsorte anpassten. Damit dies so gelingen konnte, wurden im Gedächtnis der Wissensrahmen Rezension und dessen spezifisches Textmuster aktiviert, das dann den Orientierungsrahmen für die adäquaten Satzeinfügungen bot.

Der kognitionslinguistisch ausgerichtete Workshop unter der Leitung von PD Dr. Katharina Bremer, Universität Heidelberg, leistete einen wichtigen Beitrag zum allgemeinen Cluster-Leitthema Verstehen als Aufgabe sprachlich-literarischer Bildung, bei dem der Begriff des Verstehens eine Schlüsselrolle spielt.