Tagungsbericht: Fachtagung Lehrerbildung Baden-Württemberg 2019

DRITTE FACHTAGUNG LEHRERBILDUNG AN DER HEIDELBERG SCHOOL OF EDUCATION

Nach Tübingen (2017) und Freiburg (2018) übernahm dieses Jahr die Heidelberg School of Education (HSE) die Ausrichtung der Fachtagung für lehrerbildende Einrichtungen in Baden-Württemberg. Unter dem Motto „Digitalisierung in der ersten Phase der Lehrerbildung – Chancen, Herausforderungen, Risiken“ trafen sich in Heidelberg rund 180 Teilnehmende, um sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, eigene Ergebnisse zu präsentieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen zu vernetzen. Darunter waren Vertreter/innen der lehrerbildenden Hochschulen in Baden-Württemberg, der Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte (SAF), des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) sowie verschiedener Digitalisierungsprojekte von Hochschulen auch über die Landesgrenzen hinaus und viele weitere Interessierte und in der Lehrerbildung Aktive.

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Ministerin Theresia Bauer MdL

Nach den Grußworten von Prof. Dr. Hans-Werner Huneke (Rektor der Pädagogischen Hochschule Heidelberg), Prof. Dr. Anja-Désirée Senz (Prorektorin für Studium und Lehre der Universität Heidelberg) und Prof. Dr. Petra Deger (Geschäftsführende Direktorin der HSE) markierte der Impulsvortrag von Theresia Bauer MdL (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg) den inhaltlichen Auftakt der Tagung. In ihrem Beitrag betonte sie die Bedeutung von Austauschformaten wie der Fachtagung, in denen sich eine gewinnbringende Kultur der Zusammenarbeit über Institutionen und Disziplinen, über Theorie und Praxis sowie über Regionen hinweg widerspiegle. Die darin sichtbar werdende Bereitschaft, miteinander und voneinander zu lernen, sei eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Lehrerbildung.

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Prof. Dr. Mandy Schiefner-Rohs

Im Anschluss hob Prof. Dr. Mandy Schiefner-Rohs (TU Kaiserlautern) in ihrer Keynote hervor, dass zunächst eine Verständigung stattfinden müsse, was Digitalisierung in Schule und Lehrerbildung generell und in der Professionalisierung angehender Lehrer/innen im Besonderen bedeute. Mit ihrem Titel „‚Alles beim Neuen‘ – Lehrer*innenbildung unter der Perspektive von Digitalisierung“ griff sie das Motto des Landesprogramms digital@bw auf, um zu zeigen, dass das Thema, obschon bereits seit den 1990er Jahren unter dem Begriff der Mediendidaktik präsent, spezifisch neue Aspekte mit sich bringe, mit eigenen Anforderungen an die Lehrerbildung, die entsprechend untersucht, verstanden und diskutiert werden müssten. Dabei betonte sie die Notwendigkeit einer stärkeren Subjektorientierung, die sich von der gängigen Metapher des „fit-Machens“ löse, um stärker die sozio-materiellen Praktiken in den Blick zu nehmen und unter der Perspektive von Digitalisierung neu zu gestalten.

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Podiumsdiskussion; Moderation: Dr. Tobias Endler

In der von Dr. Tobias Endler (HSE) moderierten Podiumsdiskussion waren sich Ministerin Bauer und Prof. Schiefner-Rohs einig, dass der durch den rasanten technischen und gesellschaftlichen Wandel erzeugte Handlungsdruck eine schnelle Umsetzung in Schulen und Hochschulen unumgänglich mache. Dies stellten die Diskutantinnen u. a. mit Hinweis auf die jüngste International Computer and Information Literacy Study (ICILS) klar, auf die an diesem Tag mehrmals verwiesen wurde. Als Nucleus der überfälligen Transformation in den Hochschulen könne nach Schiefner-Rohs die im Zuge der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ neu aufgestellte Lehrerbildung wirken, für die die transdisziplinäre Perspektive konstitutiv sei. Ministerin Bauer schloss sich dieser Einschätzung an und wies auf das Potenzial der Schools of Education hin, Impulse zu setzen und neue Wege zu denken. Die Frage der Nachhaltigkeit und Verstetigung von Projekten und Förderprogrammen durch eine Überführung in dauerhafte Strukturen spiele dabei eine essenzielle Rolle, wie Schiefner-Rohs ergänzte.

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Markt der digitalen Möglichkeiten

Gab es während der Mittagspause die Gelegenheit, den Gedankenaustausch im kleineren Kreis fortzusetzen, so konnten sich die Teilnehmer/innen der diesjährigen Fachtagung beim Gang über den „Markt der digitalen Möglichkeiten“ über ein breites Themenspektrum informieren. Die 15 Poster- bzw. Videopräsentationen gewährten interessante Einblicke in fachlich, medienpädagogisch oder studienberatend innovative Projekte zur Digitalisierung in der ersten Phase der Lehrerbildung an den Hochschulstandorten Heidelberg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Stuttgart und Tübingen sowie Aachen, Regensburg und Saarbrücken.

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Workshop: Einsatz digitaler Medien in Lehr-/Lernsituationen

Die anschließende Workshop-Phase bot einen vertieften Einblick in ausgewählte Good-Practice-Beispiele und Raum für intensivere Diskussionen: Workshop I setzte sich mit allgemeinen Bildungsfragen in deren Verknüpfung mit fachdidaktischen Konzepten auseinander. Eine zentrale Frage der Diskussion war, wie sich Lerninhalte und -ziele an Hochschulen durch Digitalisierung verändern und im Zuge einer forcierten Digitalisierung der Verlust vieler analoger Formate und Techniken zugunsten einer Selektion ausschließlich „digitalisierbarer“ Inhalte vermieden werden könne. Die Workshops II und III widmeten sich Beispielen aus der Fächerpraxis und blickten aus der Perspektive der MINT- bzw. der geisteswissenschaftlichen Fächer auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen an Lehramtsstudierende. Hier zeigte sich, dass Beispiele für produktive Einsatzmöglichkeiten digitaler Tools zahlreiche Anreize und Anknüpfungsmöglichkeiten für andere Fächer bieten, was Eingang fand in eine Diskussion zu den Vorzügen einer inter- oder transdisziplinären Herangehensweise an das Thema Digitalisierung. In beiden Workshops wurden auch Angstgefühle und Ressentiments gegenüber neuen (digitalen) Medien thematisiert, deren Überwindung eine zentrale Aufgabe für alle Phasen der Lehrerbildung darstelle. Workshop IV fokussierte Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in Lehr-/Lernsituationen und brachte hier unterschiedliche Perspektiven ins Spiel – von übergeordneten Fragen der Kompetenzvermittlung und Curriculumsentwicklung über die Möglichkeiten von Lernplattformen und E-Learning-Angeboten ergänzend zur traditionellen Präsenzlehre bis hin zu konkreten Anwendungsbeispielen mit Augmented-Reality-Lehrmaterialien.

Insgesamt machten die Workshops deutlich, dass es gerade zum Thema Digitalisierung in der Lehrerbildung ein erhebliches Interesse an Good-Practice-Beispielen und erfolgreichen, praxiserprobten Projekten mit Modellcharakter gibt.

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Dr. Sebastian Mahner und Dr. Christiane Wienand im Abschlussplenum

Im Abschlussplenum fassten Dr. Christiane Wienand und Dr. Sebastian Mahner (beide Geschäftsführung der HSE) als zentrales Ergebnis des Tages zusammen, dass die Digitalisierung der Lehrerbildung sich in einem Dreieck unterschiedlicher Ansprüche entfalte: erstens dem Handlungsdruck aus Politik und Gesellschaft, zweitens dem hochschuleigenen Anspruch, wissenschaftlich fundiert und didaktisch sinnvoll vorzugehen, und drittens der Forderung nach Nachhaltigkeit. Weitere Ideen und Anregungen wurden im Laufe des Tages von allen Beteiligten über ein digitales Tool eingereicht und gesammelt, sodass zum Ende der Veranstaltung mögliche Ansatzpunkte für die weitere Zusammenarbeit präsentiert werden konnten. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zur Fachtagung waren durchweg positiv und unterstrichen noch einmal die Bedeutung solcher Austausch- und Vernetzungsgelegenheiten. Auch die anwesenden Vertreter/innen der Landesregierung zeigten sich sehr interessiert an der Fortführung dieses Formats.